Piz Palü Überschreitung 3900 m

Piz Palü 3900 m West-Ost-Überschreitung

TL: Curdin
TN: Adrian, David

Tag 1: Anreise ins Engadin, mit Bergbahn auf die Diavolezza, abends kurze Instruktion Spaltenbergung und Gehen am kurzen und langen Seil

Tag 2: Tagwache 01:50 Uhr, Start um 02.30 Uhr, Verlauf: Abstieg Diavolezza 2972 m auf Vadret Pers ca. 2700 m, Gletschertraversierung bis ca. 3000 m, Aufstieg über Fortezza 3370 m zur Fuorcla Bellavista 3673 m, über den Spinasgrat zum Piz Spinas 3822 m, Piz Palü Hauptgipfel 3900 m und Ostgipfel 3882 m, Abstieg Normalroute durch die Cambrenabrüche zum Schnapsboden und weiter zur Fuorcla Trovat 3000 m, auf dem weiss-blauen Wanderweg zurück zur Diavolezza 2972 m

Gesamtlänge: 13.80 km
Höhenmeter: 1450 hm
Zeit: 9.5 h (inkl. Pausen)

Was für eine Hochtour der Superlative - endlich stand meine langersehnte Besteigung des Piz Palü in greifbarer Nähe. Hochsommerliches Traumwetter versprachen beste Voraussetzungen für die Tour. Aber eben, die Verhältnisse waren alles andere als üblich für diese Jahreszeit. Die bereits lange andauernde, trockene und heisse Schönwetterperiode hinterliess ihre Spuren am Gletscher. Bereits wenige Tage vor der Tour stand der Palü auf der Kippe, einem sichtlich nachdenklichen Curdin bereiteten die Gletscherspalten Bauchweh. Noch auf der Fahrt ins Engadin klärte er Adrian und mich mit ernster Miene über alle Eventualitäten auf (Spalten und Spaltenstürze, längere Besteigungszeiten, Abbruch der Tour oder Alternativplanung). Aufgrund der aktuellen Verhältnisse sei die Überschreitung wesentlich anspruchsvoller als sonst. Die beiden Teilnehmer wollten es aber unbedingt wissen. Um dem aktuell erhöhten Spaltenrisiko und dem exponiertem Grat Rechnung zu tragen, stand am Vorabend noch eine kleine Spaltenrettungsübung mit doppeltem Flaschenzug sowie eine 'Gehen am kurzen Seil'-Session auf der Agenda.

Der komfortable Zustieg auf 3000 m.ü.m. und die feudale Übernachtungsmöglichkeit inkl. 3-Gang-Menü liessen keine Wünsche mehr offen. Das atemberaubende Panorama von der Diavolezza liess ebenfalls alle Sorgen um die Gletscherspalten für einen Moment vergessen. Der Ausgang fiel kurz aus, Nachtruhe um 21.15 Uhr - bereits um 01.50 Uhr krochen wir drei aus dem Schlafsack um uns für das bevorstehende Abenteuer bereit zu machen. Start um 02.30 Uhr.

Curdin gab uns das Tempo im Sportmodus vor. Aus Sicherheitsgründen hatte er die Etappen minutiös fast auf die Minute geplant. Sollten wir in Verzug geraten, wäre ein Abbruch der Tour die Folge gewesen. Also, nichts wie los! Mit Stirnlampe und Mondschein ging es im Eiltempo rund 300 hm der rutschigen, instabilen Moräne bis zum Gletscher runter. Bereits nach wenigen Metern ging ein Wanderstock zu Bruch - der zweite Wanderstock sollte einige Stunden später in einer Gletscherspalte sein Ende finden.

Im Aufstieg über den ausgeaperten Vadret Pers waren zahlreiche kleinere und grössere Spalten zu umgehen oder überspringen. Am Fusse der Fortezza ging der Aufstieg über Schutt und Fels weiter. Dann folgte eine angeregte Kletterei über den Grat Gemsfreiheit bis zur Bellavista-Terrasse, wo wiederum Steigeisen für den Aufstieg bis zur Fuorcla Bellavista montiert wurden. Die Zeitvorgabe bis hierher haben wir um (lediglich) 10 min. unterboten. Zum Tempo meinte Curdin: Schneller wäre nicht mehr gegangen - aber langsamer auch nicht J Von jetzt an wurde das Tempo definitiv gemächlicher.

Nun führte uns der schöne, luftige, ausgesetzte Spinasgrat direkt zum Piz Spinas auf 3822 m. Ohne Umschweife ging's direkt weiter zum Piz Palü Hauptgipfel (3900 m), wo wir unsere erste längere Pause gegönnt haben. In der knappen halben Stunde haben wir das schier endlose Panorama aufgesogen und uns für den weiteren Übergang zum Ostgipfel bereitgemacht.

Der Grat zum Ostgipfel hat es in sich und verlangt absolute Konzentration. Ein Fehltritt wäre hier fatal. Bereits kurze Zeit später befanden wir uns auf dem dritten und letzten Gipfel unserer Tagestour, dem Piz Palü Ostgipfel (3882 m). Der Schnee in der sehr steilen Ostflanke wurde merklich weicher und matschiger. Der Abstieg liess also nicht lange auf sich warten. Durch das Labyrinth der Cambrenabrüche wurde nochmals vollste Aufmerksamkeit abverlangt. Rechts und links der tiefen Spalten führte teils nur ein schmaler, wenige Zentimeter breiter Pfad hindurch.

Sichtlich entspannt, überglücklich und von den Eindrücken überwältigt kamen wir an der Fuorcla Trovat an. Von hier war es noch eine rund 45-minütige Wanderung bis zur Diavolezza.

Auf der Diavolezza genossen wir das obligate Piz Palü-Bier und eine Portion Spaghetti Diavolezza. Voller Stolz und Zufriedenheit schweifte unser Blick immer wieder zum dreigipfligen Piz Palü hinüber - Auge um Auge mit der Diva der Alpen.

Bilder sagen mehr als 1000 Worte. Schau dir das Video zur Tour an: https://youtu.be/f_58oJSZ6g0

20.07.2022 / David