Teilnehmer: David Berther (Bergführer), Giacomo Darms, Silvan Flepp, Patric Giger, Markus Tischhauser
Am Freitagnachmittag trafen wir uns nach 13 Uhr in Ilanz, um gemeinsam ins Engadin zu fahren. Es war heiss, sehr heiss, dafür waren alle hochmotiviert und brannten darauf, den höchsten Bündner zu erklimmen. In Pontresina angekommen wurden die Rucksäcke auf die Rücken gehievt und los ging es. Die Pferdekutschen fuhren zu dieser Zeit nicht mehr ins Val Roseg hinein, so konnten wir uns gründlich bei erdrückender Hitze einlaufen und einwärmen. Trotz unseres hohen Tempos wagten sich zwei Männer uns zu überholen. Sie nahmen den Wanderweg auf der linken Talseite und wurden auf den letzten hundert Höhenmetern verregnet, während wir die kühlenden Regentropfen auf den letzten Metern geniessen konnten. Gerade erst in der Tschiervahütte (2573) angekommen, konnten wir uns an den Tisch setzen und uns den Bauch vollschlagen. Suppe, Salat und der klassische Hauptgang Kartoffelstock mit Voressen, sowie die süsse Creme zum Nachtisch stillten unseren Heisshunger und der Kübel Panaché unseren Durst. Wenig später begann es erneut zu regnen und sogar einzelne Hagelkörner spickten zu den gekippten Hüttenfenstern herein. Bis die letzten Hüttengäste sich in die Nester verkrochen hatten, tranken wir noch gemütlich Einen bis wir uns dann auch zu Ruhe legten.
Kurz vor 3 Uhr war es bereits Zeit wieder munter zu werden. Das Frühstück war wie gewöhnlich hektischer Natur, denn alle wollten möglichst die vorderste Seilschaft sein. Unser Ziel war es vor 7 auf der Fuorcla Prievlusa (3430) zu sein und um 11 auf dem Piz Bernina. Wir kamen gut aus den Startlöchern und um 3:20 Uhr wurde losmarschiert. Es ging nicht lange schon liessen wir die ersten Seilschaften hinter uns, eine Gruppe war in der Dunkelheit vom Weg abgekommen und es rollten schon die ersten Steine die Halde herunter. Ein wenig später erreichten wir das erste Eisfeld unterhalb der Fuorcla und es wurde angeseilt. David nahm Giacomo und Silvan ans Seil, Patric und ich bildeten die zweite Seilschaft. Um nicht in Steinschlag zu geraten wählten wir für den Aufstieg zur Fuorcla Prievlusa sicherheitshalber den Klettersteig statt die Eisflanke, oberhalb welcher bereits geklettert wurde. Pünktlich zum Sonnenaufgang um 5:20 standen wir in der Fuorcla. Nach ein wenig leichter Kletterei wurden die Steigeisen an die Füsse geschnallt, bevor wir dann voller Vorfreude zum Biancograt gelangten. Dieser war nicht so steil wie in unserer Vorstellung, aber deswegen nicht weniger imposant. Es herrschten gute Verhältnisse, der Grat hatte noch viel Schnee bzw. Firn. Der konzentrierte, ein bisschen monotone aber sehr schöne Gang auf der Gratschneide liess das Bergsteigerherz so hochhüpfen, dass man sich schon bald (~7:30) auf dem Piz Bianco (3995) wiederfand. Nachdem ein Happen gegessen war, stellten wir uns für die Gratkletterei an. David musste den beiden 2er Seilschaften abseilen helfen, die wir glücklicherweise dann überholen konnten. Am ausgesetzten und steilen Verbindungsgrat Bernina-Bianco war ein wenig mehr zu klettern, trotzdem kletterten die Obigen nicht angeseilt und sogar kurze Hosen wurden gesichtet, sodass wir nur den Kopf schütteln konnten. Wir liessen uns auch nicht vom tief das Couloir hinunterfallenden Eispickel beirren und erklimmten um 9:30 Uhr sicher das Dach Graubündens. Die gut 1500 Höhenmeter waren vollbracht. Eine kurze Pause und ein Gipfelfoto, dann ging es dem schönen Spallagrat entlang bergab. Eine dreiviertel Stunde später waren wir schon im Rifugio Marco e Rosa angekommen. Nach einem Teller Pasta bzw. einer Minestrone hauten wir uns ein wenig müde aufs Ohr.
Schon bald war Zeit für das Nachtessen, welches immer Pasta oder Minestone als Vorspeise, sowie eine Auswahl zwischen Carne, Bresaola oder einem weiteren Secondo Piatto beinhaltet. Alle entschieden sich für den herrvorragenden getrockneten Rinderschinken Bresaola, dazu gab es Verdure e Patate. Noch immer trafen neue Hüttengäste ein, die während wir Zitronencreme oder Cake zu Dessert assen, auf einen freien Tisch warteten. Es waren kaum bekannte Gesichter zugegen, nur Noppa gesellte sich ein wenig zu uns. Bei Calanda und Frizzante liessen wir den Abend ausklingen und gingen anschliessend schlafen.
Die meisten konnten einigermassen gut schlafen auf 3600 m.ü.M., nur das einschlafen viel mir schwer. Vom Frühstück um 5 Uhr hatten wir uns wenig erhofft, doch das „Brot“ war nicht einmal so schlecht. Es war bereits hell als wir um etwa halb 6 gen Osten zogen, da guckte die Sonne schon hinter dem Berg hervor. Doch es blieb wenig Zeit für einen Schnappschuss, zudem haben Patric und Silvan die Seilschaft gewechselt. Etwas enttäuscht liessen wir Piz Argient, Zupo und Bellavista aufgrund weichen Schnees rechts liegen und stapften in Richtung Palü. Das Auf und Ab sowie das Überholen von anderen im weichen Gletscher liessen mich etwas ausser Atem kommen. Man merkte dass man am Tag zuvor auf dem Höchsten Bündner war. Die Muskeln waren mittlerweile warm gelaufen, und so marschierten wir über den Spinasgrat zum Piz Palü, den wir nach 3 Stunden erreichten. Auf dem Weg hinunter zu spät erkennbar, dass die Spur nach dem Ostgipfel etwas hoch entlang einer Wechte verlief, so konnten wir lediglich die nachfolgenden Seilschaften warnen. Zwischen gewaltigen Spaltenwänden hindurch ging es dann ohne Steigeisen im weichen Schnee bis zum Gletscherrand bzw. zur Fuorcla Trovat. Nun hiess es Endspurt geben, es ging östlich am Piz Trovat vorbei und schliesslich erreichten wir Diavolezza (10:30), wo wir uns an einem Apfelstrudel den Gaumen besänftigten. Die 11 Uhr Bahn nahmen wir dann aber gerne, auch wenn wir so das Berninamassiv leider rasch verlassen mussten.
Alles in Allem war es eine sehr schöne, herausfordernde Hochtour, nach der wir mit Stolz sagen können, als Bündner auf dem höchsten Bündner Gipfel gestanden zu sein.
Markus Tischhauser
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