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Skitourenwoche Livigno

Skitourenwoche Engadin statt Livigno, 2020

Sonntag, 8. März: Anreise, Neuorientierung und Tour zum Piz Laschadurella

Wir treffen uns um 9:30 Uhr im Café Spöl in Zernez zur Lagebesprechung. Einige langjährige Tourenfreunde und Tourenfreundinnen mussten leider wegen des Risikos durch den Coronavirus absagen. Dafür hat Armin in letzter Minute noch einspringen können. Die italienische Regierung hat uns die Entscheidung abgenommen, indem sie die Lombardei abgesperrt hat. Eine Skitourenwoche in Livigno ist endgültig nicht mehr möglich. Glücklicherweise hat Stefan bereits einen Plan B. Er hat im Hotel Alpina in Zernez Zimmer reserviert, so dass wir die Skitourenwoche im Engadin durchführen können. Wir sind alle glücklich, dass wir nun den Pulverschnee suchen können, ohne Befürchtungen, plötzlich in Quarantäne gesteckt zu werden.

Also, los geht's! Und weil der Tag exzellente Verhältnisse verspricht, geht es gleich richtig zur Sache. Wir starten von der Ofenpassstrasse unweit von Zernez (1746 m), steigen zur Alp Laschadura auf und durch ein idyllisches Tal immer höher, bis wir unser Ziel, den Piz Laschadurella (3001 m) erblicken. Dieser verlangt uns noch einige Spitzkehren ab, bis wir vom Skidepot über einen gut eingeschneiten Grat den Gipfel erreichen und eine wunderschöne Aussicht - auch ins abgeriegelte Italien - geniessen. Der luftige Pulverschnee lässt unsere Herzen bei der Abfahrt höherschlagen und auch am Schluss meistern wir den Slalom durch die Erlenbüsche bravourös. Der Einstieg in die Woche ist rundum gelungen. Wir geniessen an der Sonne das kühlende Bier und beziehen anschliessend im Hotel Alpina die gemütlichen Zimmer.

Montag, 9. März: Pulverschnee im Val Granda

Nach einem kräftigenden Frühstück fahren wir nach Zuoz. Vom Golfplatz (1668m) aus steigen wir bei Schneefall auf zur Alp Arpiglia und dann dem verträumten Bach entlang ins Val Granda. Anschliessend zieht Stefan rechts hoch zum noch unbenannten Punkt 2409. Die Beine würden uns noch weitertragen, aber die Sonne zeigt sich milchig durch die Wolken, so dass wir die gute Sicht für die Abfahrt durch den Nordhang mit schönstem Pulverschnee nutzen. Viele Jauchzer sind beim Tanz durch den Schnee zu hören. Am nächsten Tag erfahren wir, dass in diesem Tal etwas später eine Lawine drei Tourenfahrer teilweise verschüttet hat, diese jedoch rechtzeitig gerettet werden konnten. Wir sind Stefan dankbar für seine immer sehr sorgfältige Routenwahl und zeitliche Planung.

Im Golfrestaurant stärken wir uns und Lucas lässt sich Rennwachs auflegen, damit er mit den Schnellsten mithalten kann. Anschliessend fahren wir zurück nach Zernez und geniessen die Siesta. Corsin führt uns in das Kartenspiel Troccas ein, das offenbar so lebensnah, dass einige noch in ihren Träumen weiterspielen. Oder liegt das eher an den feinen Digestifs, die jeweils vom Haus offeriert werden?

Dienstag, 10 März: Skitour ob Guarda

Schneefall ist angekündigt und erste Schneeflocken fallen, als wir vom Parkplatz von Guarda (ca. 1600m) über die nur spärlich mit Schnee bedeckten Terrassen von Guarda hochsteigen. Gleichmässig geht es durch den nun gut eingeschneiten Wald vorbei an mächtigen Lärchen und Tannen, unter denen sich wohl der Schellenursli versteckt hat. Nach etwa einer Stunde erreichen wir die Alp Sura. Da die Bäume spärlicher werden und Schneefall und Wind zunehmen, ist Stefan bei der Spurenanlage gefordert. Unterstützt durch Corsins Navigation, legt Stefan eine gleichmässige Spur zum Bergrücken La Sella auf 2686m. Schnell rüsten wir au Abfahrt um und ziehen Helme oder Mützen tief ins Gesicht - nur Walter bevorzugt wie immer auch bei der Abfahrt eine Luftkühlung. Niemand macht Stefan die Rolle des Vorfahrers streitig und in kurzen Abständen kurven wir die schönen, wenn auch kaum sichtbaren Hänge talwärts. Die Eleganz vom Vortag erreichen wir unter diesen Umständen nicht. Wir begegnen einer fröhlichen Schar Kinder, die mit der JO aufsteigen und sich vom garstigen Wetter nicht beeindrucken lassen. Nach Kaffee und Kuchen in Lavin besuchen einige von uns die Wolfsausstellung im Nationalparkzentrum.

Mittwoch, 11. März: Statt Piz Vaüglia Frühlingsspaziergang in Zernez

Die Wolken verziehen sich bereits, als wir nach S-chanf fahren und bei der Schweizer Armee parkieren. Gemütlich steigen wir durch das enge Tal Richtung Alp Vaüglia hoch. Ausser Corsin, der nochmals zurück nach Zernez muss, weil die Turnschuhe schlecht in seine Pinbindung passen. Aber gut trainiert wie er ist, holt er uns bald wieder ein. Der Schnee ist schwer und gezeichnet vom Regen, der gestern zum Abschluss den Schneefall abgelöst hat. Es wird immer wärmer und fühlt sich wie ein Aprilnachmittag an. Stefan stoppt und wir müssen die Tour abbrechen. In den steilen Tälern ist die Lawinengefahr einfach zu hoch. So stossen wir uns wieder aus dem hübschen Tal hinaus und hoffen, ein anderes Mal diese vielversprechende Tour unternehmen zu können. Den Nachmittag verbringen wir mit einem Spaziergang durch Zernez und geniessen auf dem Plaz bei südländischen Temperaturen Kaffee und Bier.

 Donnerstag, 12. März: Fuorcla Zuort

Tagwache ist etwas früher als üblich, denn die Königsetappe steht auf dem Programm. Zudem verheisst der Wetterbericht hohe Temperaturen. Schon um 8 Uhr sind wir in Tarasp Fontana (1437m) und steigen gleichmässig einem verträumten Bach entlang hinauf ins Val Zuort. Bald erreichen wir die Alp und erklimmen die erste Steilstufe. Lawinenzüge von beiden Seiten durchziehen das Tal. Wir vermeiden diese so weit möglich oder überqueren sie geschickt mit unseren Harscheisen. Etwa nach zwei Stunden treffen wir auf die ersten Sonnenstrahlen und rasten kurz. Anschliessend geht es weiter durch das reizvolle Steiltal hoch bis zur Fuorcla Zuort (ca. 2850m). Noch auf den Piz Zuort zu steigen ist angesichts des vielen Schnees im Steilhang nicht möglich. Wir können beobachten, wie sich dort immer wieder Schneebretter lösen und ins Tal kullern. Wir geniessen den Ausblick ins Val S-charl und picknicken ausgiebig. Die Abfahrt bietet von allem etwas: Windharst, Pulverschnee, Sulz und einbrechende Schichten und am Ende noch eine Fahrt durch den Wald. Wir können all unsere variantenreiche Skitechnik bestens einsetzen und die eindrückliche Abfahrt in vollen Zügen geniessen. Zum Abschluss geniessen wir erfrischendes Bier und eine feine Fleisch-Käse-Platte auf der Sonnenterrasse des Restaurant Chasté in Tarasp - mit Blick auf unsere Spuren im Val Zuort.  

 Freitag, 13. März: Aufstieg in Richtung Piz Nuna

Das Ziel von heute sind die Südhänge hoch zum Piz Nuna. Wir starten wiederum beim Parkplatz an der Ofenpassstrasse (1746m) und steigen zur Alp Laschadura auf. Ein Bartgeier entdeckt uns und fragt sich wohl, was wir hier suchen. Und schon bald erkennen wir, warum der Bartgeier hier fliegt: Mächtige Lawinenzüge, die von einer extrem grossen Lawine stammen, umschlingen die Alphütte beidseitig. Wir müssen regelrecht durch den steinharten Lawinenkegel mit seinen Schluchten klettern. Nach der Alp steigen wir den Südhang hoch. Stefan legt die Route so, dass wir einem Kamm entlang mit einigen Spitzkehren hochsteigen und so die mit viel Schnee gefüllten Mulden meiden. Auf etwa 2650m erreichen wir eine kleine Anhöhe, die uns zum Rasten einlädt. Da die gefrorene Schicht sehr dünn ist und darunter der nasse Neuschnee liegt, entscheidet Stefan, dass wir umkehren, bevor die Sonne die dünne Schicht auftaut. Und so ziehen wir vorsichtig und mit viel Gefühl unsere Schwünge talwärts, damit wir nicht einbrechen und wir erreichen wohlbehalten den Ausgangspunkt. In der Pizzeria eingangs Zernez löschen wir unseren Durst, stärken uns mit einem Stück Pizza und stossen mit einem Glas Prosecco auf die gute Tourenwoche an. Abends kommen wir zu einem weiteren Glas Prosecco, den unsere Wirtin spendiert. Sie würde uns am liebsten noch eine weitere Woche behalten. Ein feines Abendessen im gemütlichen Kreis rundet die gelungene Tourenwoche ab.

Wir sind alle Stefan dankbar, dass er die Skitourenwoche so gut umgestellt, uns auf eindrückliche Touren geführt und bei kritischen Schneeverhältnissen die Sicherheit immer vorangestellt hat. Und im Rückblick wird deutlich, wie viel Glück wir hatten, überhaupt eine Woche gemeinsam in der Natur zu verbringen. Anschliessend wurden Unterkünfte, Restaurant und auch Hütten wegen des Coronavirus geschlossen. 

20.03.2020/Peter Moser